Am 2. Mai 1933 besetzten SA- und SS-Trupps alle wichtigen Gebäude des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes und seiner Einzelgewerkschaften, darunter auch das Gebäude des Deutschen Metallarbeiterverbandes in Kreuzberg.
Für den 1. Mai 1933 riefen die Nazis den “Tag der nationalen Arbeit” aus. Auf dem Tempelhofer Feld wurde eine große Kundgebung abgehalten, zu der hunderttausende Menschen kamen. Der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund (ADGB) schloss sich dem Aufruf an. Doch diese Politik der Anpassung wurde nicht belohnt – am 2. Mai folgte das Verbot des ADGB und seiner Teilgewerkschaften.
Im November 1932 streikten Arbeitende der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG). Für einige Tage war die Stadt komplett lahmgelegt. Der Streik richtete sich gegen eine drohende Lohnkürzung und ging von der Belegschaft der BVG aus. Die KPD unterstützte den Streik und organisierte ihn mit. Auch die NSDAP erklärte ihre Unterstützung. Sie wollte sich damit aus strategischen Gründen an die Berliner Arbeiter:innenmilieus annähern und vor den bevorstehenden Landtagswahlen als sozial engagierte Partei inszenieren.
1863/64 wurde in der Barnimstraße 10 ein Gefängnis für Menschen errichtet, die ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen konnten. 1913 wurde es zu einem ausschließlichen Frauengefängnis umfunktioniert. Die große Mehrheit der Inhaftierten waren Prostituierte, aber auch Kleinkriminelle und Frauen, die eine Schwangerschaft abgetrieben hatten. Dazu kamen politische Gefangene. Auch Rosa Luxemburg verbüßte hier zwei Haftstrafen.
Zeitungsartikel "Das schöne Frauengefängnis - Enthüllte Bilder lügen" aus der "Arbeiter Illustrierten Zeitung", Berlin, 1928, Ausgabe 42, Original: Bundesarchiv, Reproduktion
In der Weimarer Republik konnte auf dem Friedhof der Märzgefallenen erstmals ohne Polizeikontrollen ein Gedenken an die Toten der Revolutionen 1848/49 und 1918/19 stattfinden. Sozialdemokrat:innen und Kommunist:innen hielten getrennte Gedenkfeiern ab. Während die Sozialdemokrat:innen an die demokratischen Errungenschaften erinnerten, legten die Kommunist:innen ihren Fokus auf Bestrebungen für eine soziale Revolution.
Zeichnung aus der Zeitung Vorwärts vom 11. Oktober 1925, 42. Jahrgang, Ausgabe 481, Berlin, Grafik: Ohne Angabe
Nach gewaltsamen Straßenkämpfen zwischen Arbeiter:innen und Nazis verhängte der sozialdemokratische Polizeipräsident Karl Zörgiebel Ende 1928 ein Versammlungsverbot, das auch für den 1. Mai 1929 galt. Die KPD rief dennoch zu einer friedlichen Großdemonstration auf, zu der tausende Menschen kamen. 13.000 Polizisten gingen daraufhin gewaltsam gegen die Demonstrant:innen vor. Die Unruhen dauerten drei Tage an. 30 Menschen starben durch Polizeischüsse, darunter auch unbeteiligte Zivilist:innen, zahlreiche Menschen wurden verletzt und mehr als 1.000 Personen verhaftet.
Titelseite der Berliner Volks-Zeitung vom 2. Mai 1929, Berlin, 77. Jahrgang, Abendausgabe 205, Reproduktion
Die Nostitzstraße in Kreuzberg war in den 1920er Jahren eine jener Straßen in Kreuzberg, die als besonders verarmt und heruntergekommen galten. Hier lebten viele Arbeiter:innenfamilien zu viert oder mit mehr Personen in 1-Zimmer-Wohnungen. Stadtbekannt war sie als die „rote Straße“, da hier besonders viele KPD-Anhänger:innen wohnten. Die Nostitzstraße war Ende der 1920er Jahre häufig ein Schauplatz von Übergriffen der lokalen SA.
Nostitzstraße Ecke Bergmannstraße, Berlin, um 1925, Postkarte, FHXB Friedrichshain-Kreuzberg Museum
Am 23. Mai 1930 wurde hier die Verfilmung des Abtreibungsdramas “Cyankali” nach dem gleichnamigen Theaterstück des kommunistischen Arztes und Dramatikers Dr. Friedrich Wolf uraufgeführt. Der Film spielt im Arbeiter:innenmilieu und behandelt das Thema Schwangerschaftsabbruch. Er wurde kontrovers diskutiert und nach 1933 verboten. Film und Theater erfuhren in den 1920er Jahren einen großen Aufschwung, das Angebot und die Besuchszahlen waren weitaus höher als heutzutage.
Werbeanzeige zur Uraufführung des Films “Cyankali”, Berlin, 1930, Grafik: Ohne Angabe, Original: Privatsammlung
In den 1920er Jahren gab es in den Berliner Arbeiter:innenbezirken viele selbstorganisierte Gruppen proletarischer Jugendlicher: die Wilden Cliquen. Ihre Mitglieder unterstützten sich gegenseitig, um unter den schwierigen Bedingungen der Zeit überleben zu können und gestalteten gemeinsam ihre Freizeit. Sie machten gemeinsam Sport, gingen wandern und tauschten sich über Politik aus. Die Wilden Cliquen waren überwiegend politisch links orientiert und standen der Arbeiter:innenjugendbewegung nahe. Eine dieser Wilden Cliquen waren die „Edelhirsche“, die sich regelmäßig in der Kreuzberger Brandenburgstraße (heute Lobeckstraße) trafen.
Die wilde Clique "Edelhirsche", Berlin, 1932, Foto: Ohne Angabe. Aus: Kreuzberg 1933. Ein Bezirk erinnert sich, Kunstamt Kreuzberg, 1983
Am damaligen Küstriner Platz befand sich das KPD-Lokal „König“. Es war nur eines von zahlreichen Parteilokalen in den Arbeiter:innenvierteln, die hauptsächlich von Mitgliedern und Sympathisant:innen der KPD und SPD sowie ihrer Wehrverbände Roter Frontkämpferbund (KPD) und Reichsbanner (SPD-nah) frequentiert wurden. Parteilokale stellten über ihre politische Funktion hinaus einen wichtigen Sozialraum dar, an dem Arbeiter:innen aus einer Umgebung zusammenkamen. Ende der 1920er Jahre standen sie immer häufiger im Zentrum von Straßenschlachten zwischen lokal ansässigen Stürmen der Sturmabteilung (SA) der Nazis und linken Arbeiter:innen.
In der damaligen Tilsiter Straße befand sich ein Treff-Lokal des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold. Das Reichsbanner war ein von SPD, DDP und Zentrum gegründeter Wehrverband zur Verteidigung der Demokratie. Er wurde allerdings von der SPD dominiert. Im „Busch“ traf sich die Abteilung „Petersburg“ des Reichsbanners.
Das KPD-Lokal „Lorenz“ befand sich in der “roten Nostitzstraße”. Kommunist:innen aus der Nachbarschaft trafen sich hier regelmäßig.
Das Innere eines Berliner KPD-Lokals, Berlin, Mitte der 1920er Jahre. Aus: Kreuzberg 1933. Ein Bezirk erinnert sich, Kunstamt Kreuzberg, 1983
In Kreuzberg und Friedrichshain gab es viele Straßenzüge mit einer hohen Dichte an Parteilokalen. In der Görlitzer Straße im Südosten Kreuzbergs befand sich etwa das KPD-Lokal „Hellmuth“. Als Treffpunkte und Gemeinschaftsräume spielten Eckkneipen und Parteilokale – oft auch beides in einem – in den Arbeiter:innenbezirken Berlins eine bedeutende Rolle. Hier diskutierten Parteimitglieder über politische Verhältnisse, planten und analysierten politische Aktionen, hielten Parteitreffen und -veranstaltungen ab und betrieben politische Bildungsarbeit.
Das „Tante Emma“ war ein vor allem bei Kommunist:innen beliebtes Lokal im heutigen Bergmannkiez.
Der bis heute unter gleichem Namen und an gleicher Stelle existierende „Heidelberger Krug“ wurde zur Zeit der Weimarer Republik vor allem von Mitgliedern und Sympathisant:innen der SPD besucht. Es wurde auch viel getanzt.
Das SPD-Lokal "Heidelberger Krug", Berlin, Mitte der 1920er Jahre. Aus: Kreuzberg 1933. Ein Bezirk erinnert sich, Kunstamt Kreuzberg, 1983
Im großen Saal fand hier am 15. November 1930 die 35-Jahrfeier der Freien Turnerschaft Neukölln statt. Das Motto lautete “Rot Sport Trotz Alledem”. Der Eintritt kostete eine Mark, für Erwerbslose lediglich 50 Pfennig. Der gemeinsame Sport war eine zentrale soziale Praktik von Arbeiter:innen. Der Sportverein war für viele Arbeiter:innen auch in ihrem Alltag und in politischen Fragen wichtig.
Hier fand am 31. Oktober 1931 ein Konzert des Fichte-Bläser-Chors statt. Gespielt wurden neben dem “Fichtemarsch” des Arbeitersportvereins u.a. Lieder aus Brechts Dreigroschenoper sowie ein “Sturmmarsch gegen §218”.
Der Märchenbrunnen im Volkspark Friedrichshain, Berlin, um 1925
Der Volkspark Friedrichshain war die erste kommunale Parkanlage Berlins. Es ist die erste Grünfläche, die explizit für die einfache Bevölkerung und nicht vom Adel für den Adel entstand. Angelegt wurde der Park Mitte des 19. Jahrhunderts als Erholungsort für die Menschen im dicht besiedelten Berliner Osten, wo vorwiegend Arbeiter:innen lebten. Ziel dieser Kommunalpolitik war es, die Folgen von schlechten Wohnverhältnissen abzufedern. Ab Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Park stärker ein Ort für Freizeitaktivitäten und körperliche Ertüchtigung: Neben großen Wiesenflächen entstand auch eine kommunale Sportstätte mitsamt einer 400-Meter-Laufbahn, die im Winter zur Eisbahn und auch „Verlobungsring“ genannt wurde.
Kunsteisbahn im Volkspark Friedrichshain, Berlin, um 1935
Hier fand 1926 ein Laubenfest statt. Lauben erfreuten sich großer Beliebtheit und trugen zur Lebensmittelversorgung und Naherholung der Arbeiter:innen bei.
Die Berliner Kleingartenkolonien wurden auch Lauben genannt. Viele Kleingärten wurden von den Nutzer:innen selbst verwaltet, einige vom Roten Kreuz betreut. 1921 schlossen sich die verschiedenen Gruppierungen zum “Zentralverband Deutscher Arbeiter und Schrebergärtner” zusammen.
Aufgrund der beengten Wohnverhältnisse legten viele Arbeiter:innenfamilien kleine Gärten auf ungenutzten Grünflächen an, um sich einerseits selbst zu versorgen und andererseits der dicht bebauten Großstadt für eine Weile zu entkommen. Nach 1933 waren Kleingärten häufig beliebte Verstecke für Juden und Jüdinnen.
Laube im Berliner Umland, 1920er Jahre, Foto: Ohne Angabe, Original: Archiv FHXB Friedrichshain-Kreuzberg Museum
Auf ca. 25 Quadratmetern arbeitete hier ein 75-jähriger Weber in derselben Stube, in der er auch schlief. Heimarbeit war weit verbreitet, wurde in der Zeit der Weimarer Republik jedoch meist von Frauen (und Kindern) unter prekären Bedingungen ausgeübt.
In einem einzelnen Raum schlief hier eine Mutter mit ihren drei Kindern. Tagsüber arbeiteten hier mehrere Frauen gemeinsam, sie plätteten Wäsche und ihre Kinder halfen beim Annähen der Knöpfe. Um Geld für die Miete dazuzuverdienen, vermieteten viele Familien für einige Stunden ein Bett an sogenannte “Schlafburschen”.
In einer ca. 10 Quadratmeter großen Küche fertigte hier eine Frau Knallbonbons, ihre schulpflichtigen Kinder halfen dabei. Die 16-jährige, lungenkranke Tochter schlief in demselben Raum. Prekäre Arbeitsverhältnisse insbesondere für Frauen und beengte Wohnverhältnisse waren in den Berliner Arbeiter:innenvierteln üblich. Lungenkrankheiten und andere Infektionskrankheiten waren weit verbreitet.
1887 eröffnete in der Reichenberger Str. 66 die erste Berliner Desinfektionsanstalt mit dem Ziel, der rasanten Ausbreitung von tödlichen Infektionskrankheiten, insbesondere in den städtischen Arbeiter:innenbezirken, Einhalt zu gebieten. Wenige Jahre später wurde sie bis in die heutige Ohlauer Str. 39-41 erweitert. In den 1920er Jahren stieg der Bedarf noch einmal enorm an, weil sich die Lebensverhältnisse vieler Menschen verschlechterten.
Für eine Desinfektion wurden zunächst die gesamte Kleidung, Bettwäsche und Matratzen infizierter Haushalte mit dem Pferdewagen abgeholt, in die Anstalt gebracht und dort durchdesinfiziert. Zudem wurde seit 1890 auch die Wohnung desinfiziert. Die Desinfektion wurde zu einem Sinnbild für Armut und Elend, für die sich Betroffene häufig schämten.
Desinfektion einer Wohnung in Kreuzberg, Berlin, um 1980, Foto: Ohne Angabe, FHXB Friedrichshain-Kreuzberg Museum
Hier befand sich ein Sportheim des Arbeitersportvereins Fichte. Als Teil des Arbeitersportverbands „Kampfgemeinschaft für Rote Sporteinheit“ stand der ASV Fichte der KPD nahe. 1933 wurde er mit der Reichstagsbrandverordnung als kommunistische Organisation verboten und am 2. Mai 1933 zwangsweise geschlossen.
Hier befand sich ein Sportheim des Arbeitersportvereins Fichte. Arbeiter:innen gründeten bereits in der Monarchie eigene Sportvereine, da sie in bürgerlichen Vereinen oft unerwünscht waren. Der ASV Fichte Berlin war in den 1920er Jahren einer der bedeutendsten und mitgliederstärksten Arbeitersportvereine der Hauptstadt mit rund 10.000 Mitgliedern. Er entstand 1890 im Friedrichshain aus den Reihen der proletarischen Turn- und Sportbewegung heraus.
Das Sportheim des Arbeitersportvereins Fichte in der damaligen Großen Frankfurter Straße 16 war eine von zahlreichen Arbeiter:innensportstätten in Friedrichshain und Kreuzberg.
Hier befand sich ein Sportheim des Arbeitersportvereins Fichte.
Hier trainierten Frauen Anfang der 1930er Jahre Jiu-Jitsu in den Räumen einer Fabrik. Arbeiter:innensport war zur Zeit der Weimarer Republik weit verbreitet. Frauen waren im Berliner Arbeiter:innensport stark vertreten.